EPILOG


 Berthold Brecht

Rede für den Frieden (1952) (11)

 

Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz, ihre Vorstellungsgabe für kommende Leiden ist fast noch geringer.

 

Die Beschreibung, die der New Yorker von den Gräueln der Atombombe erhielt, schreckten ihn anscheinend nur wenig. Der Hambuger ist noch umringt von den Ruinen, und doch zögert er, die Hand gegen einen neuen Krieg zu erheben. Die weltweiten Schrecken der vierziger Jahre scheinen vergessen. Der Regen von gestern macht uns nicht nass, sagen viele.

 

Diese Abgestumpftheit ist es, die wir zu bekämpfen haben, ihr äußerster Grad ist der Tod. Allzu viele kommen uns schon heute vor wie Tote, wie Leute, die schon hinter sich haben, was sie vor sich haben, so wenig tun sie dagegen.

 

Und doch wird nichts mich davon überzeugen, dass es aussichtslos ist, der Vernunft gegen ihre Feinde beizustehen. Lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen, damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde! 

 

Denn der Menschheit drohen Kriege, gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind, und sie werden kommen ohne jeden Zweifel, wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten, nicht die Hände zerschlagen werden.

 


"Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen Krieg,

bis ich heraus fand, dass es welche gibt,

die nicht hingehen müssen." 

 

Erich Maria Remarque


 

Laozi: Dao De Jing

Übersetzt von Ernst Schwarz

 

Vers 77 

gleicht nicht das Dau des himmels

dem spannen des bogens?

das hohe wird herabgedrückt

das tiefe wird gehoben

vom überfluß wird abgekargt

das karge aufgewogen

das Dau des himmels nimmt vom überfluß

das karge aufzuwiegen

nicht so das Dau des menschen

es kargt vom kargen ab

den überfluß zu speisen

wer aber hat genug, mit seinem überfluß

die welt zu speisen?

doch nur der weise

so ist der weise:

tut und verlangt nichts für sich

nimmt nicht für sich, was er vollbracht

und will nicht gepriesen sein

 

Vers 78

nichts in der welt sit weicher und schwächer als wasser

und doch gibt es nichts, das wie wasser

starres und hartes bezwingt

unabänderlich strömt es nach seiner art

daß schwaches über starkes siegt

starres geschmeidigem unterliegt

wer wüßte das nicht? doch wer handelt danach!

so sagt der weise;

wer eines landes übel auf sich nimmt

ist wert, herr der altäre zu sein

wer eines landes unglück auf sich nimmt

ist wert, herr der welt zu sein

als gegenteil ist oft das wort erst wahr