Zhaobao-Tai Chi (auch Wudang-Zhaobao genannt) geht auf Jiang Fa (17. Jhd.) aus dem Ort Zhaobao in Zentralchina zurück. Er war Schüler von Wang Zongyue, einem Wudang-Meister. Als er mehrere Jahre bei ihm gelernt hatte, kehrte er zu seinem Heimatdorf zurück und sorgte von dort aus für die Entwicklung und Verbreitung der Wudang-Kampfkunst.

 

Die besonderen Merkmale des Zhaobao-Stils, so wie wir ihn heute kennen, wurden von He Zhaoyuan (1811 – 1891), einem Schüler von Chen Qingping geschaffen. Lange Zeit begrenzten strenge Regeln die Ausbreitung des Zhaobao-Stils bis Zheng Buoying und Zheng Wuqing (1895 – 1984) in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts Zhaobao verließen und für seine Verbreitung in den Nord- und Südprovinzen Chinas sorgten.

 

Heute findet dieser faszinierende Tai Chi-Stil auch in Europa immer mehr Anhänger. Sicher haben die Bewegungen seitdem über Generationen hinweg einige Veränderungen erfahren. Die Prinzipien blieben aber bis heute erhalten.

 

So spricht man von den sechs inneren und äußeren Verbindungen. Innen wirken Herz-Bewusstsein (Xin), Vorstellung (Yi) und Impuls (Qi) mit den Sehnen, Knochen und der Kraft (Jin) zusammen. Gemeinsam bringen sie die Harmonie des Herzens (Xin), des Atems (Xi) und des Körpers (Shen) hervor. Außen wirken Hand und Fuß, Ellbogen und Knie, Schulter und Hüfte zusammen. Eins verbindet sich mit dem Anderen und fließt in einem Punkt zusammen.

 

Diese Einheitlichkeit bewirkt die einfache, wirkungsvolle und natürliche Struktur des Zhaobao-Stils. Auffallend ist der häufige Wechsel zwischen tiefen und hohen Schritten sowie die Betonung der Vertikalbewegung, durch die alle Körperteile um die Zentralachse organisiert sind. Der lebendige Wandel zwischen Steigen und Sinken, Öffnen und Schließen verbindet sich mit der rhythmischen Schrittfolge und den spiraligen Körperbewegungen.

 

Hierbei wirken Hüftgelenke, Becken und Wirbelsäule wie ein Sprungbrett für die Bewegungen der Extremitäten, die jeden Impuls bis in die Finger und Zehen mühelos weiterleiten. Die Techniken und Prinzipien der Zhaobao-Form sind ein Ausdruck dieser inneren Vorgänge und finden sich in den Anwendungen der Selbstverteidigung und den Partnerübungen (Tui Shou) wieder.

 

Die Philosophie der klassischen Tai Chi-Texte von Zhang Sanfeng, Wang Zongyue und Wu Yuxiang findet im Zhaobao-Stil ihre praktische Anwendung. So heißt es bei Zhang Sanfeng: „In jeder Bewegung soll der ganze Körper leicht und beweglich sein, als wären alle seine Teile wie Münzen auf einem Faden aufgereiht. Qi (Vitalenergie) soll wie ein Feuer entfacht werden. Shen (Geist) soll im Innern gesammelt sein... Jin (Energie) wurzelt in den Füßen, fließt durch die Beine, wird von den Hüften kontrolliert und wirkt durch die Finger. Von den Füßen zu den Beinen, von den Beinen zu den Hüften sollte sich alles als Einheit bewegen...“

 

Daraus erklärt sich auch die gesundheitliche Wirkung des Zhaobao-Tai Chi Chuan. Die Ausrichtung der Bewegungen um das innere Lot verbindet den Körper buchstäblich vom Scheitel bis zur Sohle. Alle Aktionen haben Hand und Fuß. Durch die gelöste Verbindung der Gelenke lässt jeder Bewegungsimpuls die Vitalkraft (Qi), wie von einem Wasserrad angetrieben, fließen.

 

Der fließende Wechsel zwischen Steigen und Sinken, Öffnen und Schließen, Leere und Gewichtung wirkt wie eine Pumpe auf die Zirkulation von Qi, Blut und Lymphe. Wo aber die Lebensvorgänge im Fluss bleiben, kann Krankheit nicht angreifen.

Li Suicheng: Zhaobao-Tai Chi Chuan